Langzeitverläufe Versicherter nach abgelehntem Erstantrag auf medizinische Reha (AbAReha)

Projektleitung:Prof. i.R. Dr. Ernst v. Kardorff (BWS); Dr. Christian Hetzel (iqpr)
Wissenschaftliche MitarbeiterInnen:Dr. Alexander Meschnig
Projektförderung:Deutsche Rentenversicherung Bund
Projektlaufzeit:01.01.2024- 31.12.2026

Hintergrund

Vor dem Hintergrund über die Jahre relativ konstanter Ablehnungsquoten bei Anträgen zur medizinischen Rehabilitation stellt sich die Frage, welche Entwicklungsverläufe mit Blick auf Gesundheit und Teilhabe am Arbeitsleben sich bei den Personen mit abgelehnten Erstantrag zeigen. Kommt es evtl. zu einer Bewilligung nach Widerspruch bzw. Sozialgerichtsprozess, werden später erneut Anträge gestellt, kommt es zu langdauernder Erwerbslosigkeit oder sogar zu einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente? Wie arrangieren sich die abgelehnten Antragsteller*innen mit ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und welche anderen therapeutischen Angebote nehmen sie in Anspruch? Geht man davon aus, dass die Antragstellung für eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme aufgrund starker Beeinträchtigungen der gesundheitlichen Situation und ggf. der Arbeitsfähigkeit erfolgt, stellt sich ferner die Frage nach dem weiteren Verlauf der abgelehnten Antragsteller*innen mit besonderer Dringlichkeit, weil sie trotz krankheitsbedingter Beeinträchtigungen nicht zuletzt aufgrund materieller Notwendigkeiten weiterhin arbeiten müssen. Da davon auszugehen ist, dass die Entscheidung zur Antragstellung aufgrund eines erheblichen subjektiven Leidensdrucks erfolgt, ist es ebenso von Interesse, wie nach einer Ablehnung die weiteren Arrangements im Leben und Arbeiten mit bedingter Gesundheit von den Versicherten aktiv gestaltet werden, unter welchen Voraussetzungen negative Verlaufskarrieren entstehen und welche Bedingungen und Strategien zu einem Verbleib in Arbeit trotz Beschwerden beitragen.

Wissenschaftliche und praxisbezogene Ziele

Angesichts des geringen Wissens über den Verbleib und vor allem die Verlaufsgestalten abgelehnter Reha-Antragsteller*innen sind die Ziele des Forschungsvorhabens:

  • ein empirisch abgesicherter Überblick über die erwerbsbiografischen und persönlichen Verläufe der Zielgruppe der abgelehnten Antragstellenden im Vergleich zu den bewilligten Antragsteller*innen über den Zeitraum von 2014 bis 2021. Von 2021 wird retrospektiv vom Zeitpunkt der Fragebogenerhebung 2024 ausgehend der weitere Verlauf rekonstruiert, so dass ein Gesamtzeitraum von 6 Jahren nach Erstantragstellung betrachtet werden kann. Bei der Analyse kontrastieren die Forschenden systematisch Antragsteller und Antragsstellerinnen mit den zunehmenden F-Diagnosen mit der traditionell quantitativ bedeutsamsten Diagnosegruppe der Muskel-Skeletterkrankungen.
  • die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Gruppe der abgelehnten und der bewilligten Antragstellenden.
  • Identifikation möglicher Unterschiede bei der Inanspruchnahme von ärztlichen, psychologischen und anderen Behandlungsangeboten durch die abgelehnte Gruppe (aktives Hilfesuchverhalten); dabei werden neben den Leistungen der Rentenversicherung für abgelehnte Reha-Antragsteller*innen (z.B. EM-Rente) zusätzlich die Inanspruchnahme von Leistungen anderer Träger mit Hilfe des Fragebogens und der Interviews erhoben.
  • Identifikation anhand subjektiver Verlaufsgeschichten, ob und in welcher Weise es den abgelehnten Versicherten gelingt, Leben und Arbeiten mit den krankheitsbedingten Beeinträchtigungen auch ohne bewilligte Rehabilitationsleistungen zu meistern.
  • Schließlich geht es um den Vergleich der gelingenden oder gescheiterten Integration in den Arbeitsmarkt zwischen der Gruppe der Versicherten mit abgelehnten Anträgen auf medizinische Rehabilitation und denjenigen mit medizinischen Reha-Leistungen.
  • Grundlegende Wissensgenerierung über individuelle Verläufe und gruppenspezifische Verlaufsmuster der „Karrieren“ abgelehnter Antragsteller*innen. Im Einzelnen erwarten die Forschenden Ergebnisse zu Bewältigungsstrategien und -mustern des Lebens und Arbeitens mit bedingter Gesundheit, unter anderem auch zur aktiven Suche nach Angeboten außerhalb der medizinischen Rehabilitation.
  • Identifikation personaler und umfeldbedingter Erfolgskriterien bzw. Risikofaktoren und Barrieren für „Abstiegskarrieren“ (langer Krankengeldbezug, ALO usw.) bei abgelehntem Reha-Antrag. Daraus resultierende Erkenntnisse können Hinweise auf niedrigschwellige Unterstützungsangebote (Beratung) für abgelehnte Bewerber*innen jenseits der medizinischen Rehabilitation liefern.
  • Identifikation von Präventionsmaßnahmen wie der Ü-45-Check, die die Personen in Anspruch genommen haben. Darüber hinaus ist unter (sekundär-)präventiven Aspekten bedeutsam, ob die abgelehnten Versicherten (aber auch diejenigen, die eine medizinische Reha-Leistung bewilligt bekommen hatten) betrieblich vorgeschriebene Maßnahmen wie das BEM genutzt haben und ob dies für sie hilfreich war. Mit Blick auf weitergehende Empfehlungen werden aus den Ergebnissen Hinweise auf verbesserte und von der Zielgruppe akzeptierte Anreize zur Inanspruchnahme derartiger Leistungen erwartet.
  • Hinweise auf verallgemeinerbare Strategien und Alternativen im Leben und Arbeiten mit bedingter Gesundheit. Aus den gelingenden Rückkehrprozessen und Bewältigungsformen der abgelehnten Antragstellenden erwarten die Forschenden Hinweise für eine verbesserte Nachsorge der Rehabilitanden, die eine Reha-Maßnahme durchlaufen haben, z. B. für den Verbleib in Arbeit förderliche personenbezogene Merkmale, Inanspruchnahme medizinischer und psychologischer Angebote außerhalb der Rehabilitation, Formen gesundheitlicher Selbstsorge, soziale Unterstützung, eigeninitiativ gewählte Strategien und Aushandlungsprozesse am Arbeitsplatz.

Studentische Mitarbeiterin: Yvonne Rafalzik B.A.

Ansprechpartner: Prof. i. R. Dr. Ernst von Kardorff; E-Mail: kardorff@bws-institut.de

gemeinsam mit: Dr. Christian Hetzel, iqpr (Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln)